Verdi ruft zu Black-Friday-Streiks bei Amazon auf – Mögliche Auswirkungen auf Logistik und Lieferzeiten im deutschen Onlinehandel

Hintergründe: Gewerkschaft Verdi erhöht den Druck auf Amazon

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat für die diesjährige Black-Friday-Woche zu Arbeitsniederlegungen an mehreren Amazon-Standorten in Deutschland aufgerufen. Ziel der Aktionen ist es, höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine Tarifbindung an den Einzel- und Versandhandel durchzusetzen. Die Gewerkschaft kritisiert seit Jahren, dass Amazon sich weigert, Tarifverträge anzuerkennen und behauptet, dass die Arbeitsbelastung in den Fulfillment Centern kontinuierlich steige.

Die Streikaufrufe richten sich typischerweise an zentrale Logistik- und Fulfillment-Standorte, z. B. in Bad Hersfeld, Rheinberg, Leipzig, Koblenz, Winsen/Luhe oder Dortmund – Knotenpunkte, die große Teile des nationalen Paketflusses steuern. Je nach Standort und Beteiligung können Streiks erhebliche Auswirkungen auf Bestellabwicklung, Sortierung und Versandprozesse haben.

Warum Streikaktionen gerade zum Black Friday besonders wirkungsvoll sind

Der Black Friday (und das gesamte Cyber-Week-Umfeld) gehört zu den wichtigsten und volumenstärksten Shopping-Phasen im Jahr. Bereits in den Tagen davor steigen Bestellzahlen sprunghaft an. Für Gewerkschaften ist diese Phase daher strategisch relevant:

  • Maximaler Hebel auf Lieferketten: Unterbrechungen treffen Amazon in der Hochlastzeit empfindlicher als im Sommer.
  • Mediale Sichtbarkeit: Black Friday garantiert maximale Aufmerksamkeit – ein zusätzlicher Druckpunkt gegenüber Amazon.
  • Abhängigkeit vieler Händler: Da tausende Amazon-Seller FBA (Fulfillment by Amazon) nutzen, wirken sich Streiks nicht nur auf Amazon selbst, sondern auch auf externe Händler aus.

Potentielle Auswirkungen auf Logistik und Versand

1. Verzögerte Lieferzeiten

Wenn einzelne Fulfillment Center (FCs) gedrosselt arbeiten oder zeitweise stillstehen, kann es zu:

  • verspäteten Warenausgängen
  • verlängerten Sortierzeiten
  • späterer Zustellung durch DHL/DPD/Hermes
    kommen.

Amazon kompensiert Streiks häufig durch Umverteilung auf andere Standorte, doch bei sehr hohem Volumen ist der Puffer begrenzt.

2. Priorisierung bestimmter Paketklassen

Erfahrungsgemäß priorisiert Amazon während Streiks:

  • Prime-Sendungen
  • leichte und schnelle Picks
  • besonders margenstarke oder zeitkritische Kategorien

Das kann für Händler, die Standard-FBA nutzen, zusätzliche Verzögerungen erzeugen.

3. Steigender Druck auf externe Carrier

Auch externe Paketdienste erleben am Black Friday Überlastung. Wenn gleichzeitig Amazon-Standorte eingeschränkt arbeiten, kann sich der Stau weiter in die Paketnetzwerke der Carrier verlagern.

Reaktionen von Amazon

Amazon weist üblicherweise darauf hin, dass:

  • nur ein kleiner Teil der Belegschaft an Streiks teilnimmt,
  • der Großteil der Mitarbeiter:innen arbeitet,
  • und die Auswirkungen auf Kunden „minimal“ seien.

Das Unternehmen nutzt ein großes, europaweit verzahntes Logistiknetz und versucht, durch automatische Routenplanung, Echtzeitlagerabgleich und temporäre Schichtaufstockung Engpässe zu reduzieren. Dennoch zeigen Erfahrungen aus Vorjahren, dass regionale Verzögerungen unvermeidlich sein können.

Bedeutung für Händler und Kund:innen

Für Marketplace-Seller / FBA-Händler

  • mögliche Lager- und Versandverzögerungen (v. a. bei Non-Prime-Produkten)
  • Risiko negativer Bewertungen bei verspäteten Lieferungen
  • kurzfristiger Bedarf an Preisanpassung oder Werbebudget-Reallokation
  • Empfehlung: Monitoring von FC-Status und Umsatzentwicklung in Echtzeit

Für Endkund:innen

  • leichte bis moderate Lieferverzögerungen möglich
  • besonders betroffen: Bestellungen aus FC-Standorten mit Streikaufruf
  • Amazon kompensiert zwar, aber nicht immer vollständig

Einordnung: Was bedeutet das für den deutschen E-Commerce?

Solche Streiks zeigen die strukturelle Spannung zwischen:

  • hohem Effizienzdruck der Plattformlogistik
  • und den Forderungen nach fairen Arbeitsbedingungen

Da Amazon ein zentrales Logistiksystem im deutschen Onlinehandel bildet, wirken sich Arbeitskämpfe nicht nur auf das Unternehmen selbst aus, sondern auf die gesamte Branche – Händler, Kund:innen und konkurrierende Plattformen eingeschlossen.

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